Sonstige explosionsgefährliche Stoffe (z. B. Peroxide)

Eine Vielzahl von Stoffen und Verbindungen sind, obwohl nicht als Explosivstoffe eingestuft, explosionsgefährlich und können sich bei Zuführung der notwendigen Zündenergie spontan explosionsartig zersetzen. Es handelt sich dabei überwiegend um instabile, temperaturempfindliche, brandfördernde Verbindungen.

Die Ursachen für diese Instabilität sind in der chemischen Grundstruktur dieser Verbindungen zu finden. Oftmals sind in diesen Verbindungen Atome so angeordnet, dass aus Sicht der Atome für sie nicht der energetisch günstigste Zustand in diesen Verbindungen vorliegt. Der Drang der Atome, einen stabilen, energetisch günstigeren Zustand einzunehmen, ist wesentlich größer, als der des Verbleibens in dieser energetisch ungünstigen chemischen Struktur. So wird die geringste Zufuhr von Energie als Anlass genommen, sich in einen energetisch günstigeren Zustand, unter Abgabe großer Mengen gespeicherter Energie, umzulagern. Als wirksame Zündquelle reicht bei vielen dieser instabilen Verbindungen bereits eine Temperaturerhöhung von wenigen Grad Celsius in der direkten Umgebung oder ein kurzer Impuls (Stoß, Reibung) aus. Dabei ist es unerheblich, ob Luftsauerstoff als Oxidationsmittel zur Verfügung steht.

Einige dieser explosionsgefährlichen Stoffgruppen werden beispielhaft in diesem Kapitel vorgestellt.


Organische Peroxide

Organische Peroxide (OP) sind in handelsüblicher Form flüssige, feste oder pastöse Substanzen. Sie sind aus chemischer Sicht Abkömmlinge (Derivate) des Wasserstoffperoxids, eines Stoffes, der sowohl in der Kosmetik, als aber auch zu Desinfektionszwecken häufig verwendet wird. Durch Substitution eines oder beider Wasserstoffatome durch organische Gruppen unterschiedlichster Struktur erhält man organische Peroxide. Organische Peroxide weisen als charakteristischen Baustein die –O–O– Gruppe auf. Unter Einfluss von Wärme, UV-Licht oder durch Beschleuniger zerfällt diese –O–O–Gruppe leicht unter Bildung freier Radikale. Technisch nutzt man diese Reaktion z. B. als Radikalstarter bei der Kunststoffherstellung durch Polymerisation oder als Vernetzer in der Gummiindustrie.

Es wird grob in entzündliche und explosionsfähige Peroxide unterschieden. Bei dem Zerfall entzündlicher Peroxide entstehen durch die Bildung entzündlicher Gase und einer starken Temperaturentwicklung nachfolgend Explosionsgefahren.

Bei Tätigkeiten mit organischen Peroxiden sind die vom Hersteller angegeben Temperaturbereiche unbedingt zu beachten und einzuhalten. Der Zerfall einiger organischer Peroxide kann bereits bei Temperaturen knapp oberhalb des Nullpunktes beginnen.

Einige organische Peroxide unterliegen oberhalb bestimmter Konzentrationen dem Sprengstoffgesetz.


Acetylen-Gas und Schwermetall-Acetylide

Acetylen ist ein entzündbarer Kohlenwasserstoff, der gasförmig vorliegt und Verwendung als Brenngas z. B. für Schweißarbeiten findet. Acetylen ist in der Lage in bestimmten Grenzen mit Luftsauerstoff explosionsfähige Gas-/Luft-Gemische auszubilden. Darüber hinaus neigt Acetylen dazu, nach entsprechender Anregung durch einen adiabatischen Druckstoß oder starke Temperaturerhöhung, unter Bildung von Kohlenstoff und Wasserstoffgas, explosionsartig zu zerfallen. Die Wirkung dieses Zerfalls wird dadurch verstärkt, dass gasförmiges Acetylen in Druckgasflaschen verwendet wird und diese Druckgasflaschen beim Acetylenzerfall bersten. Der Zerfall läuft oberhalb bestimmter Temperaturen automatisch und vollständig ab und kann nur schwer bis gar nicht gestoppt werden.

Wird Acetylen mit bspw. Kupfer zur Reaktion gebracht, in dem man es durch Kupferleitungen mit einem Gehalt von mehr als 70% Kupfer leitet, bildet sich Kupferacetylid, eine kristalline Verbindung die im feuchten Zustand stabil und somit gut handhabbar ist. Im trockenen Zustand zeigt die Verbindung eine erhebliche Explosivität. Eine Explosion kann bereits durch Erschütterungen, dem Berühren mit einem scharfkantigen Gegenstand oder durch Reibung ausgelöst werden.


Isocyanogentetraazid – ein Stoff am äußeren Rand der Katastrophe

Stickstoffhaltige Chemikalien machen gute Sprengstoffe, das weiß man seit Nitroglyzerin. Doch richtig interessant wird es, wenn in einem Molekül Stickstoff an Stickstoff gebunden ist– und besonders, wenn das gleich dreimal hintereinander der Fall ist. Solche Substanzen werden als Azide bezeichnet und sind sehr reaktiv.

Als Azide bezeichnet man die Salze der Stickstoffwasserstoffsäure (HN3). Diese Verbindungen weisen charakteristisch die –N3 Gruppe auf, in der drei Stickstoffatome linear miteinander verbunden sind. Die meistens Azide sind instabil und toxisch. Das Silberazid (AgN3) zum Beispiel kennt man völlig zu Recht unter dem Namen Knallsilber.

Azide können sowohl als anorganische Salze mit Metallen (Metallazide), als aber auch als Seitengruppe (Azidogruppe) in organischen Verbindungen vorliegen. Anorganische Schwermetallazide (Blei, Kupfer) sind hochexplosiv, die Azide der Alkali- und Erdalkalimetalle hingegen verpuffen nur bei starker Hitzeeinwirkung, nachdem sie bereits geschmolzen sind.

Kupferazid bspw. ist extrem brisant und explodiert oft schon bei Berührung. Es findet daher keine technische Anwendung und ist auch als Initialzünder ungeeignet.

Siliziumtetraazid ist eine thermisch instabile, Silizium-Stickstoff-Verbindung mit einem Stickstoffgehalt von 85,7 %. Diese hochenergetische, kristalline Substanz neigt schon ab 0 °C zu einer spontanen explosiven Zersetzung.

Wirklich spannend wird es aber dann, wenn es um organische Substanzen geht. In die kann man nämlich noch viel mehr Stickstoff einbauen als in anorganische Azide. Das nebenstehend abgebildete , vierfach substituierte Methanderivat Tetraazidomethan (CN12)ist eine hochenergetische, thermisch instabile Flüssigkeit, die zu einer spontanen explosiven Zersetzung neigt.

Bisheriger Rekordhalter ist der Stoff C2N14, ein Polyazid, das in zwei Varianten vorkommt, dem offenkettigen Isocyanogentetraazid und einer Variante, in der sich an einer Stelle im Molekül eine Ringstruktur gebildet hat. Letztere Variante ist die wohl explosivste bekannte Verbindung: Sie explodiert im Wesentlichen bei allem, auch bei dem Versuch, ihre Eigenschaften zu bestimmen, weswegen man bis heute nicht allzu viel über den Stoff weiß.

Der Grund für diese Reaktivität liegt quasi in der Luft: Stickstoff kommt normalerweise als zweiatomiges Gas vor und ist in dieser Form extrem stabil. Ein Molekül, in dem 14 Stickstoffatome aneinanderhängen, ist grundsätzlich nur eine winzige Provokation in Form eines Energieeintrags davon entfernt, sich zu solchen Stickstoffpaaren umzusortieren und dabei gigantische Mengen Energie freizusetzen. Was das C2N14– Molekül auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit tut.

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